Der Obus- und Duo-Bus-Betrieb in Esslingen am Neckar

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Alfa-Romeo-Obusse 110 AF 2 - Obusse Nr. 61-63

Typ / Fahrgestell Aufbau Elektrik Einsatzzeitraum Leistung
Alfa-Romeo 110 AF 2 Casaro oder Reggiane TIBB 1944 - 1948 108 kW

 

Da der Verkehr nach Indienststellung der ersten 10 Obustriebwagen mit vier Anhängern in Kriegseinheitsbauweise dem Aufkommen an Personenbeförderung unter den vom Weltkrieg verursachten Umständen nicht gerecht werden konnte, wurden noch im Eröffnungsjahr sukzessive ab November drei - aus einer Serie für Rom stammende - Obusse der Bauart Alfa-Romeo 110 AF 2 in Dienst gestellt. Die drei Wagen entstammten möglicherweise der 1943 gebauten Serie 6315-6331 mit Aufbau von Off. Reggiane. Die Serie umfasste insgesamt neun Obusse (in Rom waren nur die ungeraden Nummern belegt). Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass die Aufbauten von Casaro stammten (Serie 6265-6271, 6287-6293, 8 Obusse).  

Das Reichsverkehrsministerium hatte 1941 mit der Einstufung der Obusprojekte in die Bedarfsvorrangstufe festgestellt, dass der Fahrzeugbedarf durch die deutsche Industrie nicht allein zu decken war. So wurde die (ggf. speziell dafür gegründete) Omnibus Bedarf GmbH des Verbands Deutscher Kraftverkehrsgesellschaften Berlin-Charlottenburg im Zusammenwirken mit der Allgemeinen Lokalbahn- und Kraftwerke-Aktiengesellschaft Berlin beauftragt, diesen zusätzlichen Bedarf mit ausländischen Fahrzeugen zu decken. Während man im besetzten Russland, Frankreich, Belgien und Norwegen einfach Fahrzeuge requirierte, hatte man mit dem verbündeten Italien anfänglich versucht, fabrikneue Fahrzeuge aus laufender Produktion zu beziehen. Ein Beispiel hierfür ist die Beschaffung von 17 Wagen aus der römischen Serie 6265 ... 6383. Aus dieser (nie vollständig gebauten) Serie entstammten auch die Esslinger "Italiener". Ursprünglich wurde versucht, die im Bau befindliche Serie auf die deutschen (kriegsbeeinflussten) Bedürfnisse anzupassen und allein 17 Obusse nach Berlin liefern zu lassen. Wahrscheinlich wurden jedoch insgesamt nur diese 17 Obusse und ein weiterer gekauft, da sich die politischen Beziehungen zu Italien grundlegend geändert hatten. Die Wagen wurden nach Berlin, Bielefeld, Esslingen, Kiel und Linz verkauft. Die Verkehrsbetriebe übrigens mussten die Wagen, egal ob gekauft oder requiriert, an die Omnibus Bedarf GmbH bezahlen. Somit ist es schon verständlich, dass die von den Besatzungsmächten gestellten Forderungen - erneuter Ankauf oder Rückgabe - bei den Verkehrsbetrieben auf Unverständnis stießen.

(Diese Informationen lieferte - mit herzlichem Dank verbunden - Mattis Schindler, Berlin)

Weiterführende Links: http://www.tramroma.com/tramroma/rete_urb/filobus/rotabili/filrot_03.htm#6265     (IV° gruppo, Alfa Romeo/TIBB, 6265...6383)

http://www.tramroma.com/tramroma/rete_urb/filobus/rotabili/filrot_11en.htm

Die 110 AF 2-Trolleybusse hatten Dreiachsfahrwerke und wurden vom mittig hinter der Front sitzenden Fahrer gelenkt, was damals in Italien üblich war. Die Falttüren wurden pneumatisch betätigt, zusätzlich war links eine Fahrertür vorhanden. Fortschrittlich war die Bauweise, die aus einem aluminiumbeplankten selbsttragenden Leichtbau-Stahlskelett bestand. Äußerlich unterschieden sie sich von dem Rest der Flotte durch ihre grüne Originallackierung des Aufbaus unten und durch die braun lackierten Türen, weiterhin durch die Trolley-Retriever und durch ihre beachtliche Länge von fast 12 Metern. Nur Obus 63 erhielt im Laufe der Betriebszeit eine der Stammflotte entsprechende Lackierung. Gemäß den Esslinger Aufzeichnungen hatten die Alfa-Romeo-Obusse bei einem Leergewicht von 11280 kg ein Fassungsvermögen von 89 Personen. Das zulässige Gesamtgewicht betrug 17100 kg.

Der in mühevoller Arbeit von der SSB-Werkstatt nachgezeichnete Stromlaufplan zeugt auch von einer vorhandenen 72V-Batterie-Notfahreinrichtung, einem Ladeumformer und einer Isolationsprüfeinrichtung.

Auch die elektrische Ausrüstung von der TIBB machte die Obusse leistungsmäßig der übrigen Flotte überlegen. Ein 2x 164-stufiges elektropneumatisches Kollektorschaltwerk Typ ARG-DK mit einstellbarer Beschleunigung (pneumatisch betätigter mechanischer Beschleunigungswahlschalter) kam zum Einsatz. Eine E-Bremse war aber nicht vorhanden. Die Probleme des automatischen Fahrschalters mit der Anpassung an unterschiedliche Fahrbahnverhältnisse und Belastungsfälle musste mit dem Beschleunigungswahlschalter kompensiert werden. Dies beanspruchte die Fahrer wohl ziemlich stark, deshalb wurde nach der Rückgabe der Fahrzeuge 1948 (s. u.) die TIBB-Elektrik gegen eine elektrische Ausrüstung von Marelli getauscht.

Während des Krieges und der schwierigen Zeit unmittelbar danach, kamen aufgrund Reifenmangels zeitweise nur die italienischen Fahrzeuge zum Einsatz, und dies wohl ausschließlich auf der stärker ausgelasteten Linie 32 zwischen Reichsbahnhof und Oberesslingen. Erster Einsatztag eines dieser Großraum-Obusse war der 22.11.1944. Es waren die ersten Obusse in Esslingen, bei denen der Fahrgastfluss (von hinten nach vorne) mit festem Schaffnerplatz angewendet wurde. 

Für den Obusbetrieb sehr schmerzlich, mussten im Auftrag der Militärregierung alle drei Obusse Ende 1948 nach Italien zurückgegeben werden. Sie kamen allerdings nicht mehr zurück in ihre Heimatstadt, sondern gelangten (unbereift) nach Mailand, wo sie - wie erwähnt - mit Marelli-Ausrüstungen versehen wurden.

Ein Augenzeuge beobachtete zu Anfang oder zu Ende der Einsatzzeit der Alfa-Romeo-Obusse einen Wagen aufgebockt und unbereift am Jägerhaus am Rande des Schurwalds im Esslinger Norden. Nähere Umstände sind nicht bekannt. Der Verfasser wäre dankbar für die Übermittlung weiterer Hinweise zu dieser Schilderung. 

 

frühe Abbildung eines 110 AF2 in der Oberesslinger Wendeschleife
Der Wagen ist auf dieser Aufnahme noch in Originallackierung (grün) zu sehen

aus: Vorlagen-Heft des Märklin-Metallbaukastens, März 1949

 

Der bereits umlackierte Alfa-Romeo-Obus (63) auf dem Depothof

 

für vergrößerte Ansicht auf Bild klicken

nachträglich erstellte Werkszeichnung - ebenso wurden auch die Stromlaufpläne rekonstruiert

 

Aufnahmen 2 + 3: Archiv SVE

 

                                                

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